Schnellstrasse Reichenau – Ilanz (1987)

Anfangs der 80er Jahren kam die Idee auf, eine Schnellstrasse zwischen Reichenau und Ilanz zu bauen. Dagegen wehrte sich eine Interessensgruppe. Mit einer Petition an den grossen Rat sammelte sie 1987 Unterschriften. Dazu entstand folgendes Informationsblatt (Herausgeber: Komitee Schnellstrasse NEIN)

 

SCHNELLSTRASSE

REICHENAU – ILANZ

NEIN

 

AUSWIRKUNGEN AUF DIE UMWELT WÄHREND DER BAUZEIT

Das kantonale Tiefbauamt rechnet mit einer technisch bedingten Bauzeit von mindestens 15 Jahren. Durch Engpässe bei der Finanzierung und durch unvorhergesehene geologische Schwierigkeiten (Bergsturzgebiet) kann diese aber erheblich länger dauern.

Es ist vorgesehen, vorerst die bestehende rechtsrheinische Ortsverbindungsstrasse Bonaduz – Versam – Valendas – Ilanz auszubauen, um diese als Baustellenzufahrt zu benützen.

Folgen:​

  • Lastwagenverkehr​durch die Dörfer mindert die Lebensqualität und beschleunigt die Abwanderung.
  • Transportpisten von der bestehenden Ortsverbindungsstrasse zu den Baustellen bringen vorübergehend zusätzlichen Landverlust.

Der Landbedarf für die neue Strasse beträgt 21.8 ha. Während der Bauzeit wird zusätzlich Land benötigt für Deponien, Werkhöfe und Auffüllungen.

Folgen:​

  • Zusätzlicher​Verlust an Kulturland, an wertvoller Waldfläche und von naturnahen Lebensräumen.
  • Die Rekultivierung der Deponien (mit schätzungsweise 1.5 Millionen Kubikmetern Ausbruchsmaterial), der Auffüllungen und Transportpisten ist problematisch. Die mechanische Verdichtung erzeugt Staunässe und führt längerfristig zu Ertragseinbussen von bis zu 4.0 Prozent.

Während mindestens 15 Jahren wird die rechtsrheinische Talseite zwischen Bonaduz und Ilanz in eine lärmige, von Staub und Abgasen erfüllte Monsterbaustelle verwandelt.

Folgen:​

  • Störung und Abwanderung des Wildes.
  • Verschlechterung der Futterqualität durch Staubeinwirkung.

 

LANGFRISTIGE AUSWIRKUNGEN AUF DIE UMWELT

Zerstörung von Lebensräumen

Auf Gebiet der Gemeinden Castrisch, Sagogn und Schluein führt die geplante Strasse durch eines der schönsten Auengebiete unseres Kantons. Diese Flusslandschaft birgt eine unersetzbare Pflanzen- und Tierwelt. Hier sind noch der kleine Rohrkolben und die Tamariske heimisch, zwei äusserst selten gewordene Pflanzen. Der Flussregenpfeifer und der Flussuferlaufer, zwei stark gefährdete Vogelarten, finden hier noch geeignete Brutplätze. Durch die Immissionen der neuen Strasse werden diese empfindlich gestört.

In der gleichen Gegend werden Kulturland mit interessanten Röhrichtzonen und Riedwiesen, sowie wertvolle Waldflächen unwiderruflich zerstört.

Der grosse zusammenhängende Wald von Bonaduz mit zahlreichen Tierarten und der Lengwald zwischen Versam und Carrera mit seinen geschützten seltenen Orchideengewächsen werden bleibenden Schaden erleiden.

Luftbelastung

Natürliche Wildwechsel werden durch die Strasse unterbunden und Wintereinstände müssen aufgegeben werden. Das Wild weicht auf die Hochwälder aus, damit geht eine Verlagerung der Wildschäden einher.

Die beiden einzigen Anschlüsse der rechtsrheinischen Dörfer an die neue Strasse – die beiden Halbanschlüsse bei Versam – kommen ausgerechnet in das Gebiet der grossen Versamer Waldflächen zu liegen, die nach neuesten Messungen den geschädigsten Waldbestand aufweisen .

Zerstörung eines Naherholungsgebietes

Der in der Region Laax / Flims im Aufnahmejahr 1984-/85 zu 64 Prozent geschädigte Wald wird zunehmend belastet. Durch die häufige Nebelbildung im Raume der Ruinaulta wird auch die „hausgemachte“ Luftverschmutzung eine nicht unwesentliche Rolle spielen.

Der Bonaduzer Wald, die Terrasse von Carrera, die Gegend um den Altaun in Valendas, die Flusslandschaft zwischen Castrisch und Ilanz werden als Naherholungsgebiet an Wert verlieren.

AM 5. APRIL NEIN ZUR MONSTERBAUSTELLE ENTLANG DER RUINAULTA!

 

Zerstörung des Landschaftbildes

Grosse Gebiete, in welche die Strasse zu liegen kommt, sind unter der Ziffer 1902 ins BNL-Inventar und unter der Ziffer 3.53 ins KLN-Inventar der zu erhaltenden Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung aufgenommen worden.

Gefährdung surselvischer Eigenart

Der 7 Meter breite Schnitt wird das Landschaftsbild trotz der geplanten 7 Tunnel stark beeinträchtigen – vor allem im Raum Castrisch/Ilanz.

1860 gaben 99.8 Prozent aller Einwohner der Cadi Romanisch als Muttersprache an, anlässlich der Volkszählung 1970 waren es noch 88.1 Prozent. In den traditionell romanischen Dörfern der Gruob sank der Anteil der romanischsprachigen Bevölkerung im gleichen Zeitraum von 91.1 auf 71.1 Prozent.

Die geplante Strasse gefährdet walserische Eigenart und romanische Sprache und Kultur noch stärker.

AM 5. APRIL NEIN ZUR GEFÄHRDUNG SURSELVISCHER KULTUR!

AM 5. APRIL NEIN ZU MASSENTOURISMUS UND WOCHENENDRUMMEL!

 

AUSWIRKUNGEN AUF WIRTSCHAFT UND TOURISMUS WÄHREND DER BAUZEIT

Die neue Strasse kann erst nach der Jahrtausendwende in Betrieb genommen werden und wirft erst den vollen Nutzen ab, wenn sie durchgehend fertiggestellt ist.

Folgen:​

  • Die Bauzeit muss möglichst kurz gehalten werden. Andere Projekte (Ortsverbindungen) werden zurückgestellt.
  • Nur Grossunternehmen aus dem Unterland mit dem entsprechenden Maschinenpark können diesen Grossauftrag mit 55 Prozent Kunstbauten (Tunnel / Brücken) innert relativ kurzer Zeit verwirklichen.
  • Für das einheimische Baugewerbe fallen nur kümmerliche Brosamen (Zulieferer) ab. Man beachte die gegenwärtige Situation beim Bau der Ilanzer Kraftwerke!
  • Abhängigkeit von nicht ortsansässigen Arbeitskräften. Kleiner und kurzlebiger Einkommensschub.

LANGFRISTIGE AUSWIRKUNGEN AUF WIRTSCHAFT UND TOURISMUS

Die Fahrzeit Ilanz – Reichenau wird durch die Schnellstrasse auf 17 Minuten herabgesetzt.

Folgen:​

  • Zunahme des Einkaufsverkehrs nach Chur und Sargans (Pizolpark) und damit eine Schwächung des regionalen Detailhandels (Lädelisterben) und Gewerbes.
  • Das Pendeln in die Region Chui; wird gefördert. Dies bewirkt in erster Linie eine Ümlagerung der wirschaftlichen Kräfte zugunsten eines zuvor bereits stärkeren Ballungszentrums (Churer Rheintal).
  • Pendler zahlen zwar weiterhin am Wohnort Steuern, ihre Einkäufe aber tätigen sie im Zentrum.
  • In der Gewerberegion Ilanz gehen Arbeitsplätze verloren. Die untere und mittlere Surselva wird zur Schlafregion des Ballungszentrum Churer Rheintal.

Der Tagesausflugsverkehr, der Car- und Wochenendtourismus wird zunehmen – Reisezeit Zürich – Ilanz 11/2 bis 2 Stunden.

  • Die Ansiedlung von Kleinindustrie und neuen Gewerbebetrieben wird schwieriger, da die Anfahrtswege für die meist billigere Konkurrenz kürzer sind.

Folgen:​

  • Der Individual- und Ferientourismus wird zum Massen- und Tagestourismus.
  • Ruhe und Erholung suchende Stammgäste werden verdrängt.
  • Wartezeiten und Stress bei den Sportanlagen an Schönwettertagen – Wochenendrummel.
  • Zur Bewältigung der Schönwetterspitzen werden neue Transportanlagen (Bergbahnen, Skilifte) und Schneekanonen gebaut. Geringe Auslastung dieser Anlagen unter der Woche.
  • Je mehr Skitouristen, desto mehr Variantenfahrer.
  • Neue Gebiete werden dem Tourismus erschlossen (Safiental, oberes Lugnez, Seitentäler der Cadi).
  • Der Ferientourismus mit langfristigen Aufenthalten wird geschädigt. Die Zahl der Logiernächte wird abnehmen, weil das Ski- und Ausflugsgebiet schnell erreichbar sind.
  • Arbeitsplätze in der Hotellerie sind gefährdet (siehe Andermatt = Tagesausflugsziel für die Region Luzern.

Relativ unberührte Seitentäler und abseits gelegene Dörfer rücken näher an die grossen Agglomerationen (Churer Rheintal, Zürich) .

Den 4.1’000 Logiernächten in der Sommersaison 1980 stehen 29’000 in der Sommersaison 1985 gegenüber!)

AM 5. APRIL NEIN ZU MASSENTOURISMUS UND WOCHENENDRUMMEL .’

 

Folgen:

  • ​Zweitwohnungsbau​ mit​ einer ​Nutzung von wenigen Wochen im Jahr. Teure Infrastruktur durch die Gemeinde 
  • geringe Konsumausgaben durch den Gast.
  • Verteuerung der Bodenpreise und Verdrängung der Einhei mischen vom Bodenmarkt. Ansteigen von Wohnungspreisen und Mietzinsen.
  • Verdrängung der ortsansässigen Bevölkerung in unattrak tive Wohnlagen oder in andere Gemeinden.
  • Gefährliche wirtschaftliche Abhängigkeit der Surselva vom Tourismus 
  • Gefahr der Tourismus-Monokultur.

LANGFRISTIGE AUSWIRKUNGEN AUF DEN REGIONALEN KEHR

Eine neue Hauptverkehrsstrasse zieht wiederum zusätzlichen Verkehr an, erfahrungsgemäss 10 bis 20 Prozent.

Der Gemeindeverband Surselva rechnet gar bis zur Jahrtausendwende mit einem Mehrverkehr von über 30 Prozent auf der Oberländerstrasse.

Folgen:​

  • Auf den Bündner Strassen ereigneten sich 1986 insgesamt 294-0 Verkehrsunfälle. Dabei starben 32 Personen und 114 – 7 wurden verletzt. Mehr Verkehr = mehr Unfälle.
  • Das innerregionale Strassennetz der Surselva wird überlastet.
  • Verlust an Lebensqualität durch Abgas- und Lärmimmissionen in den Dörfern entlang der Oberländerstrasse – Trun, Rabius, Sumvitg, Mustér.
  • Zusätzlicher Verkehr auf dem Forst- und Meliorationsstrassennetz führt zu Schäden an diesen Anlagen und den landwirtschaftlichen Kulturen.

Mit der neuen Strassenverbindung wird nur der Individualverkehr gefördert.

Folgen:

  • Zusätzliche Park- und Rastplätze benötigen weiteres Kulturland.
  • Konkurrenzierung des öffentlichen Verkehrs.
  • Der Betrieb der RhB-Linie ist in Frage gestellt. Man beachte, dass 1972 die Bahnlinie im Misox nach dem Bau der N13 aufgehoben wurde.
  • Verlust von Arbeitsplätzen bei der RhB.
  • Benachteiligung von Schülern, Lehrlingen und älteren Personen, die auf den öffentlichen Verkehr angewiesen sind.
  • Die RhB wird für Einheimische unattraktiv und verkommt damit zur reinen Touristikbahn.

Eine Entlastung der linksrheinischen Strasse wird nur vorübergehend eintreten.

  • Eine ausgewogene Verkehrserschliessung durch Individualverkehr und öffentlichen Verkehr wird verunmöglicht.

Folgen:​

  • In​ Flims, Laax und Schluein kann die Verkehrssituation langfristig nicht beruhigt werden.

„Diese Strasse dient dem innerregionalen Verkehr in einem weitläufigen Gebiet, ist Teilstück der einzigen inneralpinen Längsverbindung und wird via Lukmanier als Nord – Südverbindung benutzt.“

(Zitat aus der Botschaft an die Stimmberechtigten des Gemeindeverbandes Surselva)

  • Die Umfahrung Flims muss trotz der Schnellstrasse gebaut werden.

Folgen:​

  • Statt​ der​ dringend ​notwendigen ​Ortsverbindungsstrassen ins Safiental, nach Brün hinauf, nach Vals und Vrin, nach Andiast und nach Mompe Tujetsch muss die Oberländerstrasse ausgebaut werden.
  • Trun, Rabius, Sumvitg müssen umfahren werden.
  • Der Lukmanier und der Oberalp müssen weiter ausgebaut werden.

Das aktuelle Zitat

„Die Bahn wird bei der gegenwärtigen Verkehrsdiskussion zuwenig berücksichtigt. Mit den heutigen modernen Verladestationen könnten wir viel mehr Güter ins Oberland transportieren, und zwar zu konkurrenzfähigen Tarifen.“

Emil Cadalbert, Chef des Werbe- und Pressedienstes der Rhätisehen Bahn.

(in: Der schweizerische Beobachter No 17 vom 15.9.1986)

AM 5. APRIL NEIN ZU UNERSCHWINGLICHEN BODENPREISEN I

 

Unsere Alternativen

WIR FORDERN …

  • eine unabhängige mehrstufige Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zur Schnellstrasse – gemäss Art. 9 des Bundesgesetzes über den Umweltschutz.
  • eine wissenschaftlich abgestützte Studie über den wirtschaftlichen Nutzen der Schnellstrasse für die Surselva.
  • eine koordinierte Verkehrspolitik, welche Strasse, Rhätische Bahn und SBB-Y berücksichtigt.
  • eine intensive Förderung des öffentlichen Verkehrs in der Sur selva, insbesondere durch
  • den Ausbau und die technische Verbesserung der RhB- Linie Chur – Disentis
  • eine Fahrzeitverkürzung durch Halbstundentakt und Schnellzüge
  • die Verlegung des Güterverkehrs auf die Schiene die Verbilligung von Cargo Domizil
  • eine Angebotsverbesserung für Wintersportler und Feriengäste im Sinne von mehr und attraktiveren Pauschal angeboten von öffentlichen Zubringern (Bahn, PTT) , Bergbahnen und Hotels / Pensionen
  • den Einsatz von rollstuhlgängigen Waggons für Behinder te
  • die Führung von Spätzügen bis Disentis
  • vermehrte Postautokurse und deren Koordination mit der Bahn, (vor allem Früh- und Spätzüge)
  • die Einführung von Ruftaxisystemen
  • den Einsatz kleinerer und wendiger Postautos
  • die Besetzung aller unbedienten Stationen entlang der RhB-Strecke Chur – Disentis

 

WIR UNTERSTÜTZEN …

einen massvollen Ausbau der linksrheinischen Oberländerstrasse.

 

Folgende Organisationen sprechen sich gegen die Schnellstrasse Reichenau – Ilanz aus:

  • Bündner Naturschutzbund BNB 
  • Pro Rein anteriur 
  • Rheinaubund
  • Romania da giuventetgna
  • Schweizerische Gesellschaft für Umweltschutz SGU 
  • Schweizerische Greina-Stiftung SGS 
  • Schweizerische Stiftung für Landschaftsschutz 
  • Schweizerischer Bund für Naturschutz SBN 
  • Vereinigung Bündner Umweltschutzorganisationen VBU 
  • Verkehrs-Club der Schweiz VCS 
  • VCS Sektion Graubünden 
  • World Wildlife Found Schweiz WWF 
  • WWF Sektion Graubünden

Impressum

An dieser Broschüre haben folgende Vertreter des Komitees „Via directa NA – Schnellstrasse NEIN“ mitgearbeitet:

Carin Cadruvi, Ruschein / Lucas Casanova, Siat / Pia Casanova, Laax / Conrad Cavigilli, Castrisch / Beat Deplazes, Rabius / Francestg Friberg, Danis / Rudolf Käser, Ilanz / Miriam Lutz, Curaglia / Andrea Menn, Ilanz / Corinna und Peter Michael, Arezen / Miriam Sossai, Trun / Josua Stoffel, Camana / Marietta Tuor, Rabius

Auflage: ​9000​ Exemplare – März 1987

Druck: Stampa ​Romontseha, 7180 Disentis / Mustér

Für die Gestaltung dieser Broschüre haben wir neben sämtlichen Unterlagen des Gemeindeverbandes Surselva in Sachen Schnell-. strasse insbesondere folgende Werke benutzt:

Gerheuser F.: Nationalstrassen und regionale Entwicklung., Windisch 1986

Kesselring H.C. / Halbherr R. / Maggi R.: Strassennetzausbau und raumwirtschaftliche Entwicklung., Bern 1982

Arbeitsgruppe „Tourismuspolitik“: Tourismus in Graubünden. Bericht der Arbeitsgruppe „Tourismuspolitik“ an die Regierung des Kantons Graubünden.

Chur 1986

AM 5. APRIL NEIN ZU UNERSCHWINGLICHEN BODENPREISEN

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