Ludivic Huonder 1893 – 1978

Bündner Schulblatt  Band 38 (1978),  Seite 264

Mit a. Lehrer Ludivic Huonder nahm der zweitälteste Oberländer Schulmeister Abschied von dieser Welt. Er starb im Alter von 85 Jahren. Noch in den letzten Jahren fühlte er sich erstaunlich gut bei Kräften und war immer leidenschaftlich für die Schule interessiert. Mit 78 Jahren (in Zeiten des Lehrermangels, notabene) wäre er noch bereit gewesen, für kurze Zeit eine Stellvertretung zu übernehmen. Aber bevor es dazu kam, traten Anzeichen einer Erkrankung auf, die seiner beispielhaften Einsatzbereitschaft Schranken setzten.

Die Wiege Huonders stand (wie diejenige unseres Nationaldichters und Schöpfers des «Pur suveran», Gion Antoni Huonder) droben im Bauerndorf Segnas. Dort wurde er als Sohn der Eltern Giusep Huonder – VonChristen am 15.6.1893 geboren, dort wuchs er mit noch fünf Geschwistern in einer harmonischen Familie heran. Bereits in der Primarschule fiel der wissensdurstige und fleissige Knabe auf. Logisches Denkvermögen, eine hervorstechende Fähigkeit des reifen Mannes, zeichnete sich bereits in den Antworten des Oberschülers ab. Der muss Schulmeister werden, lautete die einhellige Meinung von Lehrer und Eltern. Und so geschah es. Im Jahre 1914 erhielt der zielstrebige 21-jährige Seminarist sein Lehrerpatent am Lehrerseminar Chur ausgehändigt. Auch damals Lehrerüberfluss. Aber der zähe Bergler gab nicht auf und erhielt, so ungewöhnlich es klingt, eine Anstellung als Lehrer in Deutschland. Dieser Auslandaufenthalt rundete seine Ausbildung vorteilhaft ab. Es zog ihn aber nach dem Dörfchen hin, nach Segnas nämlich, wo er an der Oberstufe unterrichtete. Sein Lehrgeschick und seine Unterrichtsgestaltung wurden von Schulbehörden und Eltern hoch eingeschätzt und unbewusst auch von den meisten seiner Zöglinge anerkannt. Disziplin und Genauigkeit waren Grundpfeiler seines Unterrichts. Gewissenhafte Pflichterfüllung war ihm von der alten Schule her selbstverständlich. Der engagierte Schulmann verschloss sich auch nach langen Dienstjahren neuen Unterrichtsmethoden nicht. Huonder bekannte sich als Anhänger der Leistungsschule, wusste aber in der Skala der Werte wohl zu unterscheiden. So liess er den musischen Fächern sorgfältige Pflege angedeihen. Er war gesangsfreudig und erlangte als Chordirigent Erfolg und Anerkennung.

Lehrer Huonder war ein treuer Jünger seines früheren Seminardirektors Paul Conrad. Sein Unterricht war logisch und systematisch aufgebaut, zeichnete sich aus durch Ausdauer, konsequentes Üben und nie erlahmende Verfeinerung. Er war stets darauf bedacht, auch im Gespräch seine Gedanken klar und einprägsam zu formulieren. Sprache und Rechnen bildeten die Schwerpunkte seines praxisbezogenen Unterrichtes.

Stets hatte der Dorflehrer Huonder auch für Angelegenheiten des öffentlichen Lebens ein waches Interesse. Als Nachfolger seines Vaters diente er jahrzehntelang als Kreisaktuar. Ebenfalls erfüllte er als Aktuar der Sparkasse gewissenhaft sein Mandat und war Jahre hindurch geschätzter Gemeinderat, zu dem bekleidete er noch andere wichtige Gemeindeämter. Vor und nach seiner Pensionierung nahm der Verstorbene regen Anteil am Tagesgeschehen. Er besass einen besondern Spürsinn für Alles und die Fähigkeit, jegliche Situation rasch zu erfassen und sie auch darzustellen. Als fleissiger Berichterstatter der Presse kam dies deutlich zum Ausdruck. Wenn auch sein intensives Berufsleben sich bis ins hohe Alter abwickelte, fand der vielseitig interessierte Magister doch immer noch Zeit und Lust, sich als Korrespondent und Chronist zu betätigen. Schon früher in seinem Unterricht war er ein rastloser Feiler und Schleifer der guten Aussprache und des richtigen Ausdrucks. In der romanischen wie in der deutschen Presse konnte man oft seine Beiträge lesen. Den lokalen Informationen gab er den Vorzug. Er stand zu dem, was er für richtig erkannt hatte und war im persönlichen Gespräch ein kurzweiliger Partner. Seine Zurückhaltung sowie sein vielseitiges Wissen machten das Verweilen in seinem Kreise angenehm, da dabei keine übertriebene Geschäftigkeit zu spüren war.

Mit berechtigtem Stolz erzählte er im trauten Kreise von den Seinen, die ihm viel Genugtuung und Freude bereiteten. Seine Familie stand ihm wahrlich stets im Mittelpunkt. Umsorgt von seiner verständnisvollen und wackeren Lebensgefährtin durfte Lehrer Huonder einen erfüllten Lebensabend verleben. Anlässlich des Trauergottesdienstes würdigte der Schulratspräsident, ein ehemaliger Schüler, Berufsberater V. Durschei, in dankbarer Weise die mannigfachen Verdienste, die der Dahingeschiedene für Schule, Gemeinde und Kreis sich erworben hat. Bis ins hohe Alter war er ja in gar mancher Hinsicht aktiv. Jedoch der Tod seiner tüchtigen und sehr besorgten Gattin vor einigen Jahren hat bei ihm eine jähe Wendung verursacht. Es wurde um ihn ruhiger und einsamer. Eine längere Erkrankung hat den letzten Lebensabschnitt unseres Freundes Ludivic weithin getrübt. Seine Kinder, mit denen er bis zuletzt herzliche Kontakte pflegte, sind ihm aber liebevoll beigestanden. Das hohe Alter liess eine Genesung nicht mehr zu. Aber es war dem Kranken vergönnt, ohne grösseren Todeskampf dem Schöpfer seine Seele wieder zurückzugeben.

Unter grosser Anteilnahme der Bevölkerung wurde a. Lehrer Ludivic Huonder am 11. November 1978 in Disentis zu Grabe getragen. Der Tod kam zu ihm als Erlöser und hat ihn aus einem Leben voll Einsatz und Erfolg ins Jenseits heimgeholt. Eine ungewöhnlich grosse Trauergemeinde nahm dankend Abschied von dieser profilierten Persönlichkeit. Möge das auch einTrost für die Angehörigen sein. Die Männerchöre von Segnas und Disentis sowie der Kirchenchor zu Sogn Gions erwiesen nach dem eindrucksvollen Trauergottesdienst ihrem ehemaligen Dirigenten, langjährigen Mitsänger und Ehrenmitglied mit Abschiedsliedern die letzte Ehre. Und wir alle, die Lehrer Ludivic kannten und ihn zu schätzen gelernt haben, werden des teuren Verstorbenen in Liebe und Dankbarkeit gedenken. R.I.P.

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